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Die LTE/SAE-Test-Initiative LSTI – Begleiter auf dem Weg von der Spezifikation zur kommerziellen Einführung

Julius Robson, Nortel, Chairman LSTI Proof of Concept Group

Die LSTI ist eine weltweite Initiative von Infrastrukturanbietern und Carriern, die den LTE/SAE-Standard (LONG TERM EVOLUTION/SYSTEM ARCHITECTURE EVOLUTION) von der Spezifikation bis hin zur kommerziellen Markteinführung begleitet. Das Ziel von LSTI: Die Marktreife von LTE/SAE beschleunigen, indem die Technologie über alle teilnehmenden Anbieter vereinheitlicht wird. Darüber hinaus vermittelt die Initiative ein realistisches Verständnis davon, welche Leistungen und Funktionen von LTE zu erwarten sind und wie bereit die Technologie für die Markteinführung ist. Gegründet im Jahr 2007, gehören heute führende Telekommunikationsunternehmen wie Alcatel-Lucent, Ericsson, Qualcomm, Nokia, Nokia Siemens Networks, Nortel, Orange, T-Mobile und Vodafone zu den Mitgliedern. Die LSTI wächst stetig und umfasst aktuell 39 Vertreter aus dem weltweiten LTE/SAE-Bereich.

Warum LSTI?

Die Erfahrungen mit UMTS/HSPA waren eine treibende Kraft für die Gründung der Initiative, denn die die Anfangszeiten der Vermarktung und Implementierung der mittlerweile am weitesten verbreiteten Mobilfunktechnologie waren von zahlreichen Hindernissen geprägt. Besonders problematisch: Es gab es keine industrieweite Harmonisierung der Merkmale, deshalb dauerte es recht lange, bis konsistente Interoperabilität zwischen Endgeräten und Netzwerken verschiedener Anbietern erzielt wurde. Zusätzlich hatte die Branche unrealistische Erwartungen an die Leistung von 3G, was zu schlecht informierten Investitionen und Enttäuschungen bei Verbrauchern führte. Mit der Gründung der LSTI-Allianz sollen ähnliche Schwierigkeiten bei der Vermarktung von LTE so früh und so weit wie möglich umgangen werden.

Dafür führt die LSTI Tests für die tatsächliche Implementierung des Standards durch. Sie vergleicht Messungen von Geräten im Labor und in der Praxis mit den Anforderungen und Design-Zielen der NGNM-Alliance (Next Generation Mobile Networks) und von 3GPP (Third Generation Partnership Project). Die NGNM ist eine technologieunabhängige Allianz, die darauf abzielt, eine kohärente Sicht davon zu liefern, was die Carriergemeinschaft in dem Jahrzehnt nach 2010 fordern wird. 3PGG definiert die technischen Standards für UMTS und jetzt auch für LTE/SAE.

Ganz allgemein unterscheidet die LSTI drei Testphasen: Proof-of- Concept, Interoperabilitätstests und Friendly-Customer Tests. Die Proof-of-Concept-Phase wurde bereits Anfang 2009 abgeschlossen. Die Ergebnisse daraus bilden die Grundlage für die kommenden Phasen IOT und FCT.

Proof-of-Concept: Kann LTE/SAE die Erwartungen der Industrie erfüllen?

Die Proof-of-Concept-Aktivität zielte darauf ab, eine realistische Sicht davon zu vermitteln, wie leistungsfähig LTE/SAE sein wird. Sie war eine erste industrieweite Prüfung, ob frühe LTE/SAE-Implementierungen in der Lage sind, die zentralen Design-Anforderungen von 3GPP und NGNM zu erfüllen. LTE/SAE muss mindestens so gut sein wie frühere Generationen – bei deutlich niedrigeren Preisen pro Bit und mit hohen Übertragungsraten und Latenzzeiten, die mit einem Breitbandanschluss zu Hause oder im Büro vergleichbar sind.

Um zu beweisen, dass LTE/SAE die Erwartungen der Industrie erfüllen wird, hat die Proof-of-Concept-Gruppe „Prüfpunkte“ zwischen Anbietern und Carriern vereinbart, die sich auf verschiedene Leistungs- und Funktionalitätsaspekte beziehen. Frühe Prüfpunkte demonstrieren das grundlegende Verhalten unter Laborbedingungen, während die späteren Tests im Feld und mit mehreren Anwendern erfolgen. Für jeden Prüfpunkt hat die Proof-of-Concept-Gruppe die 3GPP- und NGMN-Anforderungen untersucht, die in den meisten Fällen auch die Bedingungen beschreiben, unter denen die Messungen stattfinden. Alle Ergebnisse werden überprüft und in einer Kurve oder Aussage konsolidiert: Sie repräsentiert den Fortschritt im Bezug auf den Prüfpunkt. Zusätzlich können Carrier im Rahmen von Beobachterbesuchen sehen, wie die Tests durchgeführt werden und sichergehen, dass die Methoden und Bedingungen realistisch sind.

Die Proof-of-Concept-Prüfpunkte Übertragungsraten, Latenzzeit, Unterstützung von VoIP und QoS sowie Handover- und Unterbrechungszeit werden im Folgenden näher beleuchtet.

Entscheidend für das Breitband-Erlebnis: die Geschwindigkeit

Zwei Faktoren wirken sich auf die wahrgenommene Geschwindigkeit aus: Die Übertragungsrate und die Latenz. Wie bei allen Mobil-Breitbandsystemen hängen auch bei LTE die Übertragungsraten von der Qualität der Funkverbindung zur Basisstation und von der Anzahl der Anwender ab, mit denen die Zelle gemeinsam genutzt wird. Die LSTI-Allianz betrachtet sowohl die Spitzendatenraten, die unter optimalen Bedingungen erzielt werden können, als auch die Datenraten, die Endanwender in der Praxis erwarten können.

Die Spitzendatenraten repräsentieren die Höchstgeschwindigkeit der Luftschnittstelle, der Verbindung zwischen Endgerät und Basisstation, die unter optimalen Funkverhältnissen und mit nur einem Nutzer pro Zelle erreicht wird. Die 3GPP strebt sofortige Spitzendatenraten von 100 Mbps beim Download und 50 Mbps beim Upload an.

Welche Datenraten der Endanwender erwarten kann, wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst, unter anderem von den Funkverhältnissen, der Signalqualität und der Geschwindigkeit, mit der sich das Endgerät bewegt. LTE muss Geschwindigkeiten von bis zu 350 km/h unterstützen, wobei bis zu einer Geschwindigkeit von 120 km/h nur minimale Leistungseinbußen auftreten dürfen. Entscheidend für die Datenraten der Endanwender ist auch, wie viele Anwender gemeinsam eine Funkzelle nutzen, das heißt in einem bestimmten Augenblick aktiv Daten übertragen. Laborergebnisse in idealen Kanälen ohne Reflexionen zeigen, dass der Durchsatz der Zelle ganz einfach geteilt wird: Wird die Zahl der Nutzer verdoppelt, hat man nur den halben Durchsatz. Gewinne können durch Frequenzselektives Scheduling (FSS) erzielt werden. Hierbei werden Unterschiede in den Kanalfrequenz-Antworten der Endgeräte gemessen und genutzt, um den Zellendurchsatz zu erhöhen. Der LTE-Uplink unterstützt Multi-User-MIMO: Damit ist ein Pairing von Endgeräten möglich, durch das sie dieselbe Ressource verwenden können.

Um Endanwender-Datenraten richtig zu vergleichen, ist eine umfangreiche Implementierung eines voll ausgelasteten Netzwerks erforderlich: Dutzende von Zellen bedienen Hunderte von Endgeräten, die realistische Applikationen nutzen. LSTI arbeitet gemeinsam mit anderen Initiativen wie NGMN und dem Easy-C-Forschungsprojekt daran, neue Methoden zur Messung von repräsentativen Endanwender-Datenraten in kleinen Tests zu entwickeln. Ein wichtiger Schritt: die hohen Last- und Interferenz-Niveaus zu erzeugen, die in der „Rush-Hour“ herrschen.

Neben der Datenrate untersucht die Proof-of-Concept-Gruppe auch die Latenz – sie beeinflusst ebenfalls die wahrgenommene Geschwindigkeit. Die Latenz der Steuerebene ist die Zeit, die benötigt wird, um eine Verbindung mit einem Anwender herzustellen und so die Kommunikation zu ermöglichen. Bei einem Sprachanruf sind einige Sekunden Verzögerung für die Herstellung der Verbindung nicht besonders auffällig, anders bei paketvermittelten Verbindungen wie beispielsweise beim Webbrowsen. Hier wären selbst Verzögerungen von einer Sekunde sehr deutlich wahrnehmbar, da LTE hier nur Spektrumsressourcen zuweist, wenn sie benötigt werden – beim Klick auf den Link. Um dennoch vielen Anwendern den „Always-on“-Eindruck zu vermitteln, ohne Ressourcen zu verschwenden, ist LTE/SAE auf eine sehr kurze Leerlauf/Aktiv-Zeit ausgelegt. Messergebnisse zeigen, dass diese Zeiten innerhalb der von der 3GPP festgelegten 100-ms-Anforderung bleiben.

Die Latenz der Benutzerebene beschreibt die Übertragungszeit von einzelnen Datenpaketen durch das Netzwerk. In der Praxis kann die Latenz der Round-Trip-Time gemessen werden, indem man den Server oder Netzwerkknoten „anpingt“. Sowohl für die Verzögerungen der Luftschnittstelle, die Verbindung zwischen Endgerät und Basisstation, als auch für die End-to-End-Übertragungen haben 3GPP und NGMN Anforderungen festgelegt. Für die Luftschnittstelle ist eine Verbindung mit geringer Latenz wichtig. Die Latenz von LTEs Luftschnittstelle ist gegenüber früheren Systemen deutlich besser geworden, was vor allem durch einen kürzeren TTI (Transmission Time Interval) von 1ms erzielt werden konnte. Das TTI bestimmt die Mindestzeit für die Übertragung über die Luftschnittstelle. Die tatsächliche Anforderung an die Latenz der Luftschnittstelle von 10ms für den Roundtrip berücksichtigt auch die Verarbeitungszeit für die Codierung und Decodierung an jedem Ende. Die Ende-zu-Ende-Latenz, die Mindestzeit, die ein Endgerät benötigt, um ein Paket an einen externen Server zu schicken und eine Antwort zu erhalten, konnte ebenfalls verbessert werden. Möglich wurde dies durch die kürzere TTI und dadurch, dass das Funkzugangsnetz und die Paket-Kernarchitektur flacher gemacht wurden.

Proof-of-Concept: auch erfolgreich bei VoIP, QoS und Handover

LTE/SAE ist ein rein paketbasiertes All-IP-Netz, das heißt alle Dienste können von jedem Benutzer zu jeder Zeit an jedem Ort abgerufen werden. Für Dienste wie Sprach- und Videokonferenzen müssen konstante Bitraten und konsistent niedrige Latenzen von Ende bis Ende gewährleistet sein – unabhängig von der Auslastung der Zelle. Frühe LSTI-Ergebnisse zeigen, dass Dienste mit garantierter Bitrate wie etwa Streaming-IPTV von anderen Diensten wie etwa gleichzeitig laufende Datenübertragungen nicht beeinträchtigt werden. Dass auch die Latenz garantiert werden kann, haben spätere Tests gezeigt. Unter idealen Laborbedingungen ist LTE/SAE in der Lage IP-Verbindungen mit ausreichend guten Werten in Bezug auf Latenz, Jitter und Paketverluste bereitzustellen. Dass dies auch bei praktischen Fahrtests mit Handover erreicht werden kann, bestätigen LSTI-Carrier.

Eine Hauptherausforderung für jedes Mobilfunksystem besteht darin, ein Gespräch zu halten, während ein Anwender „nahtlos“ von einer Zelle an eine andere übergeben wird. Ein misslungener Handover ist der wahrscheinlichste Grund für einen Verbindungsabbruch. LTE/SAE hat mittlerweile den „harten“ Handover implementiert. Die alte Verbindung wird dabei abgebrochen, um dann sehr schnell die neue aufzubauen. Dadurch können wichtige Ressourcen eingespart werden.

Die LSTI verfügt über konsolidierte Ergebnisse, sowohl zum internen Handover zwischen Sektoren derselben Basisstation als auch zum externen zwischen zwei verschiedenen Basisstationen. In der Praxis wurden Tests bei Geschwindigkeiten von bis zu 120 km/h durchgeführt. Die Datenunter-brechungszeiten halten die Echtzeit-Service-Anforderung von NGMN ein: 300 ms. Es wurden sogar Zeiten von weniger als 50 ms gemessen.

Die Ergebnisse der Proof-of-Concept-Gruppe zeigen, dass reale Implementierungen der LTE/SAE-Technologie die Erwartungen der Industrie hinsichtlich Leistung und Funktionalität erfüllen können. Damit wurde der Weg frei für die aktuell laufende zweite Phase der LSTI-Tests: die Interoperabilitätstests. Sie prüfen, ob Geräte von verschiedenen Herstellern zusammenarbeiten.

Interoperabilitätstests IOT – die Eindeutigkeit der Standards auf dem Prüfstand

Im Wesentlichen prüft IOT, ob Geräte von verschiedenen Herstellern zusammenarbeiten. Die nächstliegende Möglichkeit zu testen, ob Standards eindeutig sind und von allen Herstellern gleich interpretiert werden: Endgeräte eines Herstellers arbeiten mit der Infrastruktur eines anderen Unternehmens zusammen. Inkonsistenzen aller Art können so aufgelöst werden und die Mitglieder haben die Möglichkeit die 3GPP-Standards selbst entsprechend zu korrigieren. Interoperabilitätstests sind allerdings keine Konformitätstests, vielmehr prüfen sie, ob Standards stimmig sind bevor Konformitätstests prüfen, ob ein Gerät dem Standard entspricht. Am Anfang steht IODT – „D“ steht hier für Development. Die Gruppe berichtet über frühe anbieterübergreifende Tests der wesentlichen Funktionen der Luftschnittstelle. IODT konzentriert sich auf die Interoperabilität zwischen Endgeräten und Infrastruktur einer Anbieter-Partnerschaft. Die Testberichte beruhen auf einer allgemein akzeptierten Reihe von Testergebnissen.

Im nächsten Schritt macht IOT mit einem größeren Funktionsumfang weiter und testet explizit mehrere Basisstation–Endgeräte-Partner. Neben der Luftschnittstelle umfasst das Funktionsset den IOT der S1-Schnittstelle (Basisstations-Kern) und der X2-Schnittstelle (zwischen Basisstationen). Die IOT-Tests wird voraussichtlich Mitte 2010 abgeschlossen sein.

Die dritte und finale Phase: Friendly-Customer-Tests

Die Friendly-Customer-Tests markieren die Schlussphase der LSTI-Aktivitäten vor der kommerziellen Markteinführung. Anwender werden dabei mobile Breitbandapplikationen testen – mit Endgeräten, die über vorkommerzielle Abmessungen verfügen. Derzeit arbeitet die LSTI daran, eine Reihe von Testmethoden und Konfigurationen festzulegen, die die Haupterwartungen der Carrier sowie die wesentlichen Benutzererfahrungen charakterisieren. Die Proof-of-Concept-Phase hat gezeigt, dass die Ergebnisse in hohem Maße von Faktoren wie Funkverhältnissen und der Zellauslastung abhängen, die vor dem Start von kommerziellen Netzwerken getestet werden müssen. Die LSTI-Testaktivitäten helfen Carriern und Anbietern dabei, ein realistisches Verständnis dafür zu entwickeln, was erreichbar ist. Friendly-Customer-Tests sind noch in diesem Jahr geplant, um den Weg für die ersten kommerziellen Implementierungen im Jahr 2010 zu ebnen.

Julius Robson, Nortel, Chairman LSTI Proof of Concept Group

Über den Autor:

Julius Robson ist Chairman der Proof-of-Concept-Gruppe der LTE/SAE Trial Initiative, Nortel Julius Robson kam 1994 zu den Wireless Technology Labs von Nortel UK, wo er an Antennenentwicklung, Ausbreitungsmessungen, Netzwerkplanung und der Systemanalyse von OFDM-MIMO- und SON-Technologien arbeitet. Bisher hat er 17 Patente in diesem Bereich beantragt. 2006 zog er nach Paris, um Nortel bei dem 3GPP-Funkzugangsstandard zu repräsentieren. Mittlerweile ist Julius Robson der Vorsitzende der Proof-of-Concept-Gruppe der LTE/SAE Trial Initiative.